Algerien und Frankreich befinden sich in einer neuen diplomatischen Krise. Hervorgerufen wurde sie in erster Linie durch die Entscheidung von Frankreich, die Erteilung von Visen an algerische Staatsbürger zu beschränken. Hinzu kamen laut Algerien „verantwortungslose Äußerungen zu inneren Angelegenheiten Algeriens“ vom französischen Präsidenten Macron. Nun handelt Algerien und sperrt den Luftraum für französische Militärflugzeuge.

Frankreich steht mit der ehemaligen französischen Kolonie Algerien erneut in einer Krise. Auslöser der jüngsten Krise ist eine Entscheidung von Frankreich, die Erteilung von Visen an algerische Staatsbürger zu beschränken. Verstärkt wurde die Auseinandersetzung allerdings durch Äußerungen vom französischen Präsidenten Macron zum Algerienkrieg und zur Geschichte von Algerien.

Laut der französischen Zeitung LeMonde soll Macron am 30. September 18 junge Menschen ins Elysee-Palast eingeladen haben, um mit ihnen „frei über den Konflikt zu reden“. Dabei soll es sich überwiegend um französische Jugendliche algerischer Herkunft gehandelt haben, dessen Großväter als französische Soldaten, Harkis oder Anhänger der anti-französischen Nationalen Befreiungsfront im Algerienkrieg dabei waren. Genau aus diesem Grund wurden sie als „Enkelkinder des Krieges“ bezeichnet. Die Inhalte der Unterhaltung sorgten jedoch für mächtig Aufschrei in der algerischen Politik und Gesellschaft. Dicht gefolgt wurde dieser Aufschrei von einem diplomatischen Ringen zwischen den beiden Ländern.

Im Gespräch mit den „Enkelkindern des Krieges“ habe Macron demnach primär die Regierung von Algerien ins Visier genommen. Die Beschränkung von Visen sei hauptsächlich an algerische Regierungsbeamte gerichtet, so Macron. „Wir werden sicherstellen, dass Studenten und Geschäftsmänner ihr Visum weiterhin behalten können, aber wir werden die Regierungsbeamten ärgern, die sehr einfach ein Visum beantragen konnten“, betonte der französische Präsident.

So bemühte sich Macron, die zuvor getroffene Entscheidung zur Beschränkung von Visen zu begründen. Der Beschluss, der eine Verringerung der Zahl von Visumserteilungen an algerische Staatsbürger zur Hälfte vorsieht, wurde am 28. September vom französischen Regierungssprecher Gabriel Attal bekanntgegeben. Gerechtfertigt wurde der Beschluss unter anderem mit der fehlenden Bereitschaft von Algerien, aus Frankreich ausgewiesene Migranten aufzunehmen.

Algerien reagierte am nächsten Tag mit einer Herbeirufung des französischen Botschafters ins Außenministerium und einer Protestnote, was in diplomatischen Beziehungen zwischen Ländern nicht unüblich ist. Der eigentliche Auslöser der Krise und somit weiterer Schritte von Seiten Algeriens sollte jedoch noch folgen.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs mit den Jugendlichen sei Präsident Macron auf die koloniale Vergangenheit des nordafrikanischen Landes zu sprechen gekommen, gibt LeMonde an. Die französische Kolonialzeit in Algerien und der algerische Unabhängigkeitskrieg sind häufige Streitpunkte zwischen den beiden Ländern. Macron habe die Regierung in Algerien als ein „politisch-militärisches System“ bezeichnet. Zudem habe der französische Präsident die „Hirak“-Bewegung kritisiert. Hirak ist eine 2019 entstandene pro-demokratische Bewegung, die zum Sturz des ehemaligen Präsidenten Bouteflika geführt hat. Laut Macron hat die Bewegung das System in Algerien „geschwächt“ und „ermüdet“.

Die Geschichte von Algerien habe der französische Präsident als „komplett neu geschrieben“ und „auf Hass gegen Frankreich basierend“ beschrieben. Hierfür soll er laut LeMonde die „Desinformation und Propaganda“ der Türkei verantwortlich gemacht haben.

„Ich bin erstaunt über die Fähigkeit der Türken ihre eigene Rolle in Algerien vergessen zu lassen und uns als die einzigen Kolonialisten zu zeigen“, hieß es von Macron, womit er auf die mehr als 300-jährige osmanische Herrschaft in Algerien anspielte. Er beschwerte sich darüber, dass Algerier der Türkei glauben. Neben dem Nahen Osten und dem östlichen Mittelmeer befinden sich die Türkei und Frankreich auch in mehreren afrikanischen Ländern in einem Rennen um Einfluss, insbesondere durch militärische Schritte. Die türkisch-französischen Beziehungen sind seit langer Zeit von Spannungen gekennzeichnet.

Ohne Zweifel gießte der französische Präsident Macron noch mehr Benzin ins Feuer durch eine besonders heikle Bemerkung. Macron soll behauptet haben, ohne eine französische Kolonisation wäre eine algerische Nation nicht zustande kommen. „Die Frage ist, ob es vor der französischen Kolonisation überhaupt eine algerische Nation gab“, fragte Macron die Jugendlichen laut LeMonde. Dieser Kommentar erzürnte die algerische Regierung besonders, wie eine Quelle gegenüber Al Jazeera betonte.

Die Äußerungen von Macron wurden in einer Pressemitteilung der algerischen Präsidentschaft scharf verurteilt. „Algerien lehnt den Eingriff in innere Angelegenheiten ab“, erklärte die Mitteilung und fügte hinzu, die Worte von Macron seien eine „untolerierbare Beleidigung“ gegen Algerier, die im Unabhängigkeitskrieg ihr Leben verloren haben. Im Zuge der Entwicklungen wurde der algerische Botschafter in Paris zurückgerufen.

Daneben wurde der algerische Luftraum für jegliche französische Militärflugzeuge gesperrt. „Wir haben heute Morgen die Flugpläne für zwei Flugzeuge vorbereitet als wir erfuhren, dass der Luftraum dort gesperrt wurde“, sagte französischer Oberst Pascal Ianni gegenüber der AFP. Terroroperationen und weitere Missionen der französischen Armee in der Sahel-Zone werden laut Ianni unbeeinflusst bleiben.

Algerische Quellen jedoch haben dies gegenüber Russia Today bestreitet. „Mit dieser Entscheidung wird ein strategischer Fehler von Bouteflika korrigiert“, betonten die Quellen und gaben an, der Beschluss werde die französischen Militäroperationen in der Region weitgehend beeinflussen. Laut den Quellen hat es sich bei dem Recht von französischen Militärflugzeugen den algerischen Luftraum zu nutzen um ein „Privileg der Bouteflika-Zeit“ gehandelt.