Im Rahmen ihrer Abschiedsreisen besucht abgehende Bundeskanzlerin Angela Merkel die Türkei und wird dort auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan treffen – ein letztes Mal. Auf dem Programm stehen bilaterale Fragen zusammen mit aktuellen regionalen und internationalen Themen.

In ihrer letzten Reise in die Türkei verabschiedet sich Bundeskanzlerin Merkel von Präsident Erdogan.

Bundeskanzlerin Merkel besucht ein letztes Mal die Türkei und wird sich dort vom türkischen Präsidenten Erdogan verabschieden, aber auch über aktuell relevante Themen austauschen. Viele Höhen und Tiefen kennzeichneten die türkisch-deutschen bzw. türkisch-europäischen Beziehungen in der 16-jährigen Kanzlerperiode von Angela Merkel. Die guten persönlichen Beziehungen zwischen Erdogan und Merkel haben aber in den meisten Fällen dabei geholfen, die Spannungen zu entschärfen. Zuletzt zog die Türkei nach dem Engagement der Kanzlerin ihre Forschungsschiffe aus dem östlichen Mittelmeer zurück – als eine Geste des Wohlwollens.

In der Nacht von Freitag auf Samstag landete der Flieger der Bundeskanzlerin in Istanbul. Der türkische Präsident Erdogan empfing sie in der Huber-Villa. Die seit 1985 von der türkischen Präsidentschaft benutzte Villa befindet sich im nördlichen Teil Istanbuls und überblickt den Bosporus. In einem Golfwagen besuchten Merkel und Erdogan die Strandzone der Villa und begrüßten dort sowohl lokale, als auch ausländische Journalisten. Schließlich gingen sie zum persönlichen Treffen über.

Schwerpunkte des Treffens zwischen der Bundeskanzlerin und dem türkischen Präsidenten seien „bilaterale Themen“ neben „regionalen und internationale Fragen“, so das Bundeskanzleramt. Das der türkischen Präsidentschaft unterstehende Direktorat für Kommunikation gab an, im Treffen werde man „alle Aspekte der Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland“ behandeln.

Erdogan und Merkel blicken gemeinsam auf den Bosporus.

Nach ihrem Treffen traten Bundeskanzlerin Merkel und der türkische Präsident Erdogan vor die Kameras zur gemeinsamen Pressekonferenz. Sowohl Erdogan, als auch Merkel sprachen tatsächlich alle Aspekte der deutsch-türkischen Beziehungen an, von der Flüchtlingsfrage über in der Türkei inhaftierte deutsche Staatsbürger bis hin zum globalen Klimaschutz.

„Mit Bundeskanzlerin Merkel haben wir heute die Themen auf unserer Agenda detailliert besprochen, in erster Linie bilaterale Beziehungen“, sagte Erdogan. Man habe Themen wie die Relevanz türkisch-europäischer Beziehungen, die Zollunion, Visafreiheit und die Fortsetzung des Flüchtlingsabkommens diskutiert. „Ich habe unsere Erwartungen in kritischen Themen mit der Bundeskanzlerin geteilt“, führte Erdogan zudem an. Neben dem Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern seien außerdem auch Fragen rund um das östliche Mittelmeer, Afghanistan, Libyen und Syrien behandelt worden, so Erdogan. Daneben forderte er Maßnahmen gegen Rassismus und Islamophobie: „Rassismus, Islam- und Ausländerfeindlichkeit zusammen mit Diskrimination sind leider weiterhin die Hauptprobleme der türkischen Gemeinschaft in Europa.“ Nach Erdogan sei die türkische Gemeinschaft in Deutschland eine Repräsentation der „wichtigsten sozialen Seite“ der Beziehung zwischen den beiden Ländern und ein Ausdruck des „gemeinsamen Reichtums“.

Die Rolle von Merkel in bilateralen Beziehungen und ihre Beziehung zu türkischen Bürgern in Deutschland lobte Erdogan. „Wir werden die Beiträge der Kanzlerin immer mit Lob in Erinnerung haben“, betonte er. Über Merkels enge Beziehungen zur türkischen Gemeinschaft in Deutschland sei man „froh“, so Erdogan. Für die Zukunft wünschte Erdogan die Fortsetzung der Beziehungen aus der Merkel-Ära: „Ich wünsche dem deutschen Volk das Beste in Zusammenhang mit den Bundestagswahlen am 26. September. Ich hoffe, dass die erfolgreiche Arbeit mit Merkel mit der neuen Regierung fortgesetzt wird.“

Nach der Rede Erdogans ergriff schließlich die Bundeskanzlerin das Wort. „Wir haben heute die gesamte Agenda der bilateralen Beziehungen behandelt“, erklärte sie. Dazu würden Menschenrechtsfragen und in der Türkei inhaftierte deutsche Bürger, die nicht ausreisen können gehören. Zum Thema Rassismus äußerte sich die Kanzlerin, man habe sich sowohl auf der Ebene der Bundesregierung als auch auf der Ebene der Landesregierungen zu dessen Bekämpfung bekannt. Im Zusammenhang mit den türkisch-europäischen Beziehungen habe man sich auch auch über illegale Migration unterhalten, denn man wolle gegen „Schlepper und Schleuser“ vorgehen, so die Kanzlerin. An dieser Stelle sie die Unterstützung der Türkei wichtig. „Die Türkei leistet außergewöhnliches“, führte die Kanzlerin in Bezug auf Flüchtlinge in der Türkei an und fügte hinzu, es sei ein „Akt der Notwendigkeit“ der Türkei Unterstützung zu leisten.

Zu Afghanistan hob die Kanzlerin hervor, humanitäre Hilfe müsse sichergestellt werden. Mit Erdogan habe sie sich auch über Gespräche mit den Taliban ausgetauscht und man könne dies gemeinsam fortsetzen. Die Lage in Syrien und dabei besonders in der Rebellenhochburg Idlib bezeichnete Merkel als „angespannt“. An dieser Stelle beklagte sie die langsame Entwicklung des Verfassungsprozesses, der nun schon seit Jahren nicht voranschreitet. Auf eine mögliche neue Militäroffensive der Türkei im Norden Syriens kam die Kanzlerin nicht zu sprechen.

Zudem forderte die Kanzlerin den Rückzug aller ausländischen Truppen aus Libyen, vor allem „Soldaten und Söldner aus dem Sudan, aber auch aus Syrien“. Zudem müsse man in Libyen möglichst bald Wahlen abhalten um so zu einer nachhaltigen Lösung des Konflikts zu kommen. In Libyen unterstützt Ankara die von der UN-anerkannte Regierung in Tripolis. Durch den Einsatz von Militäreinheiten zum Training libyscher Soldaten und an erster Stelle bewaffneten Drohnen, half die Türkei der Regierung in Tripolis zum Sieg gegen den von Frankreich und Russland unterstützten Feldmarschall Haftar. Ein großes Gebiet fiel an die Ankara-nahe Regierung und Haftar sah sich gezwungen, die Offensive gegen Tripolis aufzuhalten und einen Waffenstillstand zu verhandeln.

Auch der globale Klimaschutz fand einen Platz im Gespräch zwischen Erdogan und Merkel. Hier wies die Kanzlerin auf Waldbrände in der Türkei und die Flutkatastrophe in Deutschland hin. Dies zeige, wie wichtig das Thema des globalen Klimaschutzes sei, so Merkel. In diesem Zusammenhang begrüßte Merkel die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens im türkischen Parlament und gab an, auch hier werde Deutschland die Türkei unterstützen. Bis vor kurzem war die Türkei das einzige G20-Land, welches das Abkommen nicht ratifiziert hatte.

Im Hinblick auf Spannungen im östlichen Mittelmeer betonte Merkel die Rolle von Deutschland zur Entschärfung der Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland. Im östlichen Mittelmeer befinden sich die Türkei und Griechenland in einem Streit über Abgrenzung der jeweiligen Hoheitsbereiche und selbstverständlich zur Forschung von Bodenschätzen in diesen Gebieten. Hier habe sich Deutschland für Erkundungsgespräche zwischen den beiden Ländern eingesetzt, so die Kanzlerin.

Auf Nachfrage zur Situation von deutschen Staatsbürgern, die in der Türkei inhaftiert sind, sagte die Bundeskanzlerin es gäbe durchaus Fälle, in denen man Fortschritte erzielt hat. Der türkische Präsident Erdogan unterstrich in Bezug auf dieses Thema die „Unabhängigkeit der Justiz“, weshalb er an dieser Stelle keine Auswirkung auf die Entscheidungen des Gerichts habe.

Der türkische Präsident Erdogan äußerte sich auch zu Koalitionsverhandlungen in Deutschland. „Koalitionsregierungen erschweren die Arbeit und auch bei uns in der Vergangenheit hatten Koalitionsregierungen nie Erfolg“, bemerkte der türkische Präsident. Durch die Einführung des Präsidialsystems gäbe es dieses Problem nun nicht mehr. Darauf antwortete Kanzlerin Merkel, sie habe trotzdem immer Freude daran gehabt, mit ihren Koalitionspartnern zu arbeiten. Außerdem habe man nicht die Absicht in Deutschland ein Präsidialsystem einzuführen, denn „Föderalismus und Koalitionsregierungen gehören zum Charakter Deutschlands“.

„Liebe Kanzlerin, sie haben in den letzten Jahren immer ihre Beschwerden mit mir geteilt“, hakte Erdogan nach. Darauf entgegnete Merkel lachend: „Das stimmt, so ist das Leben“.